IMMOBILIE GEERBT: BEMISST SICH DIE STEUER NACH DEM GUTACHTEN ODER DEM VERKAUFSPREIS?
Wenn man etwas erbt, dann muss man – abhängig vom Wert des Erbes am Todestag des Erblassers (Stichtag) – Erbschaftsteuer zahlen. Bekommt man Geld oder Aktien, lässt sich der Wert relativ leicht feststellen. Immobilien dagegen sind nicht immer so einfach zu bewerten. Diese kann man schätzen lassen oder gleich weiterverkaufen und dann den konkreten Verkaufspreis heranziehen. Was gilt aber, wenn man beides hat: ein Gutachten und einen Verkaufspreis, zwischen denen ein erheblicher Unterschied besteht?
In einem Streitfall vor dem Finanzgericht Niedersachsen (FG) hatte die Klägerin ein Einfamilienhaus geerbt. Zehn Monate nach dem Erbfall konnte sie es für 460.000 EUR veräußern. Der Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts fügte sie ein Gutachten auf den Stichtag bei. Danach hatte das Objekt einen Verkehrswert von lediglich 220.000 EUR. Das Finanzamt ermittelte dagegen durch einen Online-Immobilienpreiskalkulator einen Wert von 320.000 EUR, den es auch festsetzte.
Dagegen legte die Erbin Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren teilte der Gutachterausschuss für Grundstückswerte (GAG) dem Finanzamt einen Vergleichswert von 480.000 EUR mit. Daraufhin empfahl das Finanzamt der Erbin, ihren Einspruch zurückzunehmen, da sie ansonsten schlechtergestellt würde (sogenannter Verböserungshinweis). Diese lehnte die Rücknahme aber ab, woraufhin das Finanzamt den Wert auf 460.000 EUR festsetzte.
Auch im Klageverfahren konnte die Erbin ihre Sichtweise nicht durchsetzen: Nach dem Urteil des FG ist nicht der Wert des Gutachtens anzusetzen, sondern das Objekt ist im Vergleichswertverfahren zu bewerten. Das Gericht darf nur prüfen, ob das Gutachten des GAG offensichtlich unrichtig ist, was im Streitfall nicht zutraf. Die Erbin meinte zwar, dass die vom GAG herangezogenen Vergleichsobjekte nicht geeignet waren, aber dem konnte das FG nicht folgen. Den Abweichungen wurde durch Anpassung des Wertes Rechnung getragen. Einen niedrigeren Wert kann der Steuerpflichtige nachweisen: durch das Gutachten eines Sachverständigen oder durch einen zeitnah erzielten Kaufpreis vergleichbarer Grundstücke. Die Erbin hatte durch den Verkauf des Hauses innerhalb von zwölf Monaten quasi einen Kaufpreis von 460.000 EUR „nachgewiesen“. Ein Vorrang des Gutachtens vor dem tatsächlichen Verkaufspreis ist gesetzlich nicht vorgesehen. Der Verkaufspreis kommt dem wirklichen Wert am nächsten; gestützt wird dies durch den ähnlichen Wert des GAG.