EUROPÄISCHER GERICHTSHOF: VORSTEUERABZUG DURCH NACHTRÄGLICHE ZUORDNUNGSENTSCHEIDUNG

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer aktuellen Entscheidung einer Gemeinde nachträglich den Vorsteuerabzug aus einer zunächst nur hoheitlich genutzten Immobilie gestattet.

Die Rechtssache, die auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Verwaltungsgerichtshof Polens zurückging, befasste sich mit dem Umfang des Vorsteuerabzugs einer Gemeinde bezüglich der Anschaffung eines Investitionsguts, das zunächst nur für hoheitliche Zwecke der Gemeinde genutzt wurde. Erst später wurde das Investitionsgut aufgrund einer Nutzungsänderung auch für unternehmerische Zwecke verwendet.

Die polnische Finanzverwaltung führte aus, dass die von der Gemeinde zu Investitionszwecken (Bau eines Kulturhauses, das unentgeltlich dem Kulturzentrum der Gemeinde überlassen wurde) bezogenen Leistungen nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erworben worden seien. Die Gemeinde habe daher nicht als Unternehmer gehandelt. Die spätere Nutzungsänderung (steuerpflichtige Vermietung des Kulturhauses) bedeute nicht, dass die Gemeinde im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes das Recht zum Vorsteuerabzug erlangt habe.

Der EuGH stellte klar, dass eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ein Recht auf Berichtigung des Vorsteuerabzugs zu ihren Gunsten habe. Voraussetzung sei, dass beim Erwerb eines Investitionsguts dieses zum einen seiner Art nach sowohl für besteuerte als auch für nichtbesteuerte Tätigkeiten verwendet werden könne. Zum anderen sei eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs möglich, wenn der Erwerber zwar seine Absicht, dieses Investitionsgut einer besteuerten Tätigkeit zuzuordnen, nicht ausdrücklich bekundet, aber auch nicht ausgeschlossen habe, dass das Investitionsgut für eine besteuerte Tätigkeit verwendet werde.

Wesentlich für eine spätere Berichtigung des Vorsteuerabzugs sei jedoch, dass der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs unternehmerisch tätig gewesen sei und in dieser Eigenschaft gehandelt haben müsse.

Der EuGH hat in dieser Frage kürzlich entschieden, dass der nachträgliche Vorsteuerabzug nur dann ausgeschlossen werden muss, wenn bei Gegenständen, die einer gleichzeitigen Nutzung zu verschiedenen Zwecken zugänglich sind, eine klare anfängliche Zuordnungsentscheidung für den nichtwirtschaftlichen Bereich getroffen wird. Es empfiehlt sich daher bei der Anschaffung von Gegenständen, die zunächst rein nichtwirtschaftlich genutzt werden und bei denen anfangs daher kein Vorsteuerabzug vorgenommen wird, keine ausdrückliche Zuordnungsentscheidung gegenüber der Finanzverwaltung zu treffen.

Hinweis: Das Urteil erging zwar im Hinblick auf die Investitionsentscheidung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts. Es dürfte allerdings auch auf alle vergleichbaren Investitionen von Einrichtungen anderer Rechtsformen und natürlicher Personen anwendbar sein. Die Reaktion der deutschen Finanzverwaltung ist noch nicht bekannt.


Veröffentlicht am: 12. Oktober 2018
Veröffentlicht in: Umsatzsteuer