ERSTATTUNGS- UND NACHZAHLUNGSZINSEN: AB WANN DER ABGESENKTE ZINSSATZ VON 1,8 % PRO JAHR GREIFT
Damit Bürger ihre Steuererklärung nicht unnötig lange zurückbehalten, um eine erwartete hohe Abschlusszahlung hinauszuzögern, werden Steuernachzahlungen verzinst. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Steuerentstehungsjahrs – für den Veranlagungszeitraum 2022 also am 01.04.2024. Ergeht ein Steuerbescheid mit Nachzahlungsbetrag erst nach diesem Datum, muss der Steuerzahler dem Finanzamt – neben dem Nachzahlungsbetrag – also zusätzlich Zinsen zahlen. Die andere Seite der Medaille ist, dass auch Steuererstattungen verzinst werden. Steuerzahler erhalten also Zinsen vom Finanzamt ausgezahlt, wenn eine Steuererstattung allzu spät erfolgt. Lange Zeit lag der gesetzliche Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen bei 6 % pro Jahr.
Im Juli 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Höhe des Zinssatzes bei diesen Zinsarten ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig ist. Für die Verzinsungszeiträume 2019 und später wurde dem Steuergesetzgeber vom Gericht auferlegt, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu schaffen. Nach der mittlerweile erfolgten gesetzlichen Anpassung wurde der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen auf 0,15 % pro Monat (1,8 % pro Jahr) abgesenkt.
Die praktischen Auswirkungen der Rechtsprechung und der gesetzlichen Neuregelung sehen folgendermaßen aus:
- Zinssatz von 6 % gilt bis 2018: Nach der Entscheidung des BVerfG ist der bisherige Zinssatz von 6 % für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 weiter anwendbar. Einsprüche gegen Zinsfestsetzungen für diese Verzinsungszeiträume wurden bereits durch Allgemeinverfügung erledigt.
- Zinssatz von 1,8 % gilt ab 2019: Für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 hat der Gesetzgeber den Zinssatz in allen offenen Fällen rückwirkend auf 1,8 % pro Jahr gesenkt. Hat das Finanzamt für diese Zeiträume in offenen Fällen bereits Erstattungszinsen von 6 % festgesetzt, können sich die Bürger aber auf einen Vertrauensschutz berufen, so dass sich bei der Berechnung bisher festgesetzter Zinsen keine Änderungen zu ihren Ungunsten ergeben.
- Übergangsregelung: Die Steuerverwaltungen der Länder konnten die Neuberechnung der Zinsen in anhängigen Verfahren und die Umstellung der Zinsberechnungsprogramme nicht sofort nach Inkrafttreten der Neuregelungen umsetzen. Der Gesetzgeber hat daher eine Übergangsphase geschaffen, während der Festsetzungen von Nachzahlungs- bzw. Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 01.01.2019 weiterhin vorläufig ergehen oder ausgesetzt werden können, um später die korrekte Zinsfestsetzung nachzuholen.
Hinweis: Durch das neue Gesetz wurde nicht der Zinssatz für Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen sowie Säumniszuschläge angepasst. Dieser bleibt also weiterhin bei 6 % pro Jahr. Ob und wann hier eine Anpassung erfolgt, ist derzeit noch offen.