BETRÜGERISCHE LIEFERKETTE: GESAMTSCHULDNERISCHE HAFTUNG DES LEISTUNGSEMPFÄNGERS
Wie weit kann ein Unternehmen für die Steuerlast anderer haftbar gemacht werden, wenn es wissentlich oder fahrlässig an einer Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt ist? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass solche Unternehmen nicht nur das Vorsteuerabzugsrecht verlieren, sondern auch gesamtschuldnerisch für die vom Lieferanten nichtabgeführte Mehrwertsteuer haften können. Damit unterstreicht der EuGH, dass nationale Finanzverwaltungen in Betrugssituationen umfassende Instrumente zur Sicherstellung der Erfüllung der Steuerpflicht einsetzen dürfen, ohne dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verletzen.
Im Besprechungsfall hatte eine Gesellschaft tschechischen Rechts im Jahr 2013 Kraftstoff von einem tschechischen Lieferanten bezogen. Nach Steuerprüfungen stellte die Finanzverwaltung fest, dass die gesamte Lieferkette von Steuerhinterziehung betroffen war. Daraufhin erließ sie Nachzahlungsbescheide gegen den Lieferanten und verweigerte ihm den Vorsteuerabzug für die gelieferten Waren. Da der Lieferant die Nachzahlung nicht leistete, wurde nun der Leistungsempfänger herangezogen und sollte die Mehrwertsteuer zahlen, während ihm gleichzeitig der Vorsteuerabzug versagt wurde. Gegen diese Entscheidung legte er Einspruch ein, was zu einem Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH führte.
Der Gerichtshof bestätigte, dass die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie es den Mitgliedstaaten erlaubt, den Empfänger einer Lieferung gesamtschuldnerisch für die vom Lieferanten geschuldete Steuer in Anspruch zu nehmen. Die Versagung des Vorsteuerabzugs bei gleichzeitiger gesamtschuldnerischer Haftung sei verhältnismäßig, da beide Maßnahmen unterschiedliche, einander ergänzende Ziele verfolgten: Steuerhinterziehung zu bekämpfen und eine effektive Erhebung der Mehrwertsteuer sicherzustellen.
Ein Verzicht auf eine der Maßnahmen würde diese Ziele teilweise unterlaufen. Auch begründe die gesamtschuldnerische Haftung keine ungerechtfertigte Bereicherung der Finanzverwaltung, sondern diene ausschließlich der Einziehung der geschuldeten Steuerbeträge.
Hinweis: Das Urteil verdeutlicht die klare Linie des EuGH. Steuerpflichtige tragen in betrügerischen Lieferketten erhebliche Verantwortung. Sie können sowohl vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen als auch als Gesamtschuldner für die Steuer in Anspruch genommen werden. Ein starkes Instrument, um die Einhaltung der Steuerpflichten sicherzustellen.