AUSSERGEWÖHNLICHE GEHBEHINDERUNG: FAHRTKOSTEN SIND NUR MIT 0,30 EUR PRO KILOMETER ABSETZBAR

Führen Schwerbehinderte das Merkzeichen außergewöhnliche Gehbehinderung (aG) in ihrem Schwerbehindertenausweis, können sie neben dem Behinderten-Pauschbetrag auch die angemessenen Kosten für Privatfahrten absetzen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürfen bis zu 15.000 km pro Jahr mit jeweils 0,30 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden.

Ein noch höherer Kostenabzug komme nur in „krassen Ausnahmefällen“ in Betracht, in denen zwangsläufig ein Fahrzeug genutzt werden müsse, für das überdurchschnittlich hohe Kosten anfielen, oder in denen ein Fahrzeug in sehr geringem Umfang bewegt werde, so dass die Kosten pro gefahrenem Kilometer hoch ausfielen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits 2018 entschieden, dass kein solcher Ausnahmefall vorliegt, wenn Kfz-Kosten anfallen, die nicht wesentlich höher als die bei Fahrzeugen der Mittelklasse durchschnittlich üblichen sind. Geklagt hatte ein „außergewöhnlich gehbehinderter“ Mann, der einen Kleinbus fuhr, um seine verschiedenen Hilfsmittel (u.a. einen mobilen Lifter) mitzunehmen. Seine Fahrten wollte er mit 0,77 EUR pro gefahrenem Kilometer als außergewöhnliche Belastungen abrechnen, das Finanzamt erkannte jedoch nur 0,30 EUR an. Die Kilometerpauschale von 0,77 EUR hatte der Mann aus seinen tatsächlich angefallenen Fahrzeugkosten errechnet.

Der BFH gab dem Finanzamt recht und urteilte, dass hier kein „krasser Ausnahmefall“ im Sinne der Rechtsprechung vorlag, der einen Abzug der Kfz-Aufwendungen von mehr als 0,30 EUR/km hätte rechtfertigen können. Zwar sei der Kläger außergewöhnlich stark gehbehindert und auf ein besonderes Fahrzeug angewiesen. Die geltend gemachten Kosten lägen aber nicht wesentlich über den durchschnittlichen Kosten eines Fahrzeugs der Mittelklasse und begründeten damit keinen „krassen Ausnahmefall“. Das Gericht zog zum Vergleich die Schwacke-Liste heran, nach der ein Mittelklassefahrzeug bei einer vierjährigen Haltedauer und einer jährlichen Fahrleistung von 15.000 km bereits Kosten von etwa 0,60 EUR pro Kilometer verursacht.

Hinweis: Zu beachten ist, dass die Kosten für den behindertengerechten Umbau eines Fahrzeugs zusätzlich zu den Kilometerpauschalen als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können. Die Umrüstungskosten sind unvermeidbar, weil Automobilhersteller rollstuhlfahrergerechte Pkws nicht serienmäßig und ohne Aufpreis herstellen. Nach der BFH-Rechtsprechung kann der Umrüstungsaufwand aber nur im Jahr der Zahlung in voller Höhe geltend gemacht werden (keine Abschreibung).

Wenngleich das Urteil nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwendbar ist (keine amtliche Veröffentlichung), hat das Finanzministerium Hamburg seine Finanzämter nun angewiesen, die Urteilsgrundsätze bei der Bearbeitung bislang ruhender Einspruchsverfahren zugrunde zu legen. Hamburger Steuerzahler können daher davon ausgehen, dass Einsprüche zu behinderungsbedingten Aufwendungen bei gleichgelagerten Fallkonstellationen als unbegründet zurückgewiesen werden. Gleiches gilt für Einsprüche, mit denen behinderungsbedingte Umbaukosten über die Nutzungsdauer verteilt abgeschrieben werden sollen.


Veröffentlicht am: 13. Dezember 2019
Veröffentlicht in: Einkommensteuer